Samen zum Ausleihen? Das bieten sogenannte Saatgutbibliotheken.

Voraussichtliche Lesedauer:  4 Minuten

Samen ausleihen – das geht in der Saatgutbibliothek

Jennifer Bowinkelmann
Head of Digital Gartenmagazine

Bücher kann man ausleihen – natürlich. Filme auch, ob als Stream oder wie früher als Videokassette oder DVD. Gesellschaftsspiele, Werkzeug, Fahrräder, Autos, Kleidung – „Mieten statt Kaufen“ funktioniert in vielen Bereichen und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Aber Blumen- und Pflanzensamen ausleihen, geht das? Tatsächlich ist dies in sogenannten Saatgutbibliotheken möglich. Wir erklären, was es damit auf sich hat.

Saatgutbibliothek: Was ist das eigentlich genau?

Saatgutbibliotheken funktionieren im Grunde ähnlich wie eine Bücherei. Doch statt Bücher mit nach Hause zu nehmen, können sich die Nutzer Samen verschiedener Zier- und Nutzpflanzen für den Garten oder den Balkon ausleihen. Häufig sind diese Samenbanken öffentlichen Büchereien angegliedert, meist stehen sie in der Nähe von themenrelevanten Büchern rund um das Thema Gärtnern und Gemüseanbau. Wer sich Saatgut ausleiht, erhält so nicht nur die „Hardware“, sondern bekommt das nötige theoretische Wissen gleich mitgeliefert.

Samen ausleihen: Wie funktioniert das?

Einmal erstellt, bietet eine Saatgutbibliothek einen Grundstock an Pflanzensamen, an dem sich die Büchereibesucher*innen kostenfrei bedienen dürfen. Einheitliche feste Regeln gibt es nicht, sie variieren von Saatgutbibliothek zu Saatgutbibliothek. Meist ist jedoch für die Samenausleihe noch nicht einmal ein Bibliotheksausweis nötig. Die verschiedenen Samensorten stehen in der Regel abgepackt in kleinen Tütchen und sortiert nach Pflanzen- und Blumenart beziehungsweise Gemüsesorte zur Verfügung. In einigen Fällen ist die Zahl der Samentütchen, die eine einzelne Person mitnehmen darf, begrenzt.

Im heimischen Garten oder auf dem Balkon können die Hobbygärtner*innen dann die ausgeliehenen Samen aussäen. Wenn die Aussaat geklappt hat, können sie am Ende der Saison wiederum neue Blumen- oder Gemüsesamen ernten und sie in der Saatgutbibliothek anderen Gartenfreund*innen zur Verfügung stellen.

Worauf man bei der Ernte der Samen achten sollte:

  • erst ernten, wenn Früchte oder Samenstände ausgereift sind
  • einen Tag mit trockenem Wetter abwarten, Feuchtigkeit erhöht die Schimmelgefahr
  • Samenkapseln, Hülsen oder Schoten vorsichtig öffnen und Samen herauslösen
  • bei Früchten Samen sauber vom Fruchtfleisch trennen
  • Samen einige Tage trocknen lassen (zum Beispiel auf Zeitungspapier)
  • trockenen Samen in Papiertütchen oder Glasbehälter (Papier mit hinein, damit Restfeuchtigkeit entzogen werden kann) abfüllen

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Woher kommt die Idee der „Seed Libraries“?

Seed Library ist der englische Begriff für Saatgutbibliothek (seed = Samen; library = Bibliothek). Erste Seed Libraries entstanden um die Jahrtausendwende im Norden der USA. Damals bemühten sich Umweltinitiativen darum, die traditionelle Sortenvielfalt zu bewahren. Denn große Saatgutkonzerne machten zunehmen Geschäfte mit gentechnisch verändertem Saatgut und Hybriden. Diese aber verdrängen samenfeste Sorten.

Mittlerweile gibt es Saatgutbibliotheken nicht nur in den USA, sondern auch in vielen Ländern Europas – auch in Deutschland.

Wo in Deutschland gibt es Saatgutbibliotheken?

Saatgutbibliotheken sind hierzulande vielleicht noch nicht so verbreitet wie in den USA, aber auch hier entstehen immer mehr Orte, an denen man Samen ausleihen kann. Berlin, Bremen, Hamburg, Dresden, Frankfurt am Main, Köln – um nur einige große Städte zu erwähnen, in denen es in den Stadtbüchereien Saatgutbibliotheken gibt. Aber auch in vielen kleineren Städten und Orten findet man sie, ins Leben gerufen durch die öffentliche Hand oder von privaten Initiativen. Vielleicht auch in Ihrer Nähe?

Hand hält drei Samenkapseln einer Ringelblume, eine davon erntereif getrocknet, eine schon halbtrocken, eine weitere noch grün. Im Hintergrund gelbe Ringelblumenblüte sowie Blattwerk in Unschärfe.
Samenstände einer Ringelblume. [Foto: AdobeStock_ElenaMasiutkina_227230044]

Welche Samen eignen sich für eine Saatgutbibliothek?

Bienenfreundliche Blumen, verschiedene Gemüsesorten, aromatische Kräuter – prinzipiell eignen sich Samen sowohl von Nutz- als auch von Zierpflanzen. Es gibt aber eine Bedingung: Die Sorte muss samenfest sein. Denn nur dann können aus den neuen Samen, die nach der Aussaat, Aufzucht und Ernte gewonnen werden, wieder neue Pflanzen gezogen werden.

Samenfest bedeutet, dass auch die aus dem Saatgut gewonnenen neuen Pflanzen die gleichen Eigenschaften haben wie die Ursprungspflanze. So lässt sich samenfestes Saatgut einfach selbst vermehren.

Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Saatgut, das im Handel vertrieben wird, häufig um gezüchtetes Hybridsaatgut. Nur die erste Generation hat die Eigenschaften der Elternpflanzen. Die nachfolgende Generation, also das neu gewonnene Saatgut aus der ersten Aussaat, hat völlig andere Merkmale oder keimt erst gar nicht aus.

Wie kann man selbst eine Saatgutbibliothek ins Leben rufen?

Studierende der Leuphana Universität Lüneburg haben im Sommer 2021 im Rahmen eines Projektseminars einen Leitfaden entwickelt, der dabei hilft, selbst eine Saatgutbibliothek zu erstellen. Auf der Projekt-Website stellen sie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Verfügung. Zu den wichtigsten Punkten zählen:

  • einen geeigneten Ort finden
  • Verantwortliche finden, die die Saatgutbibliothek betreuen
  • die richtigen Samen für den Start auswählen und organisieren
  • sich um die Logistik und die Gestaltung der Saatgutbibliothek kümmern
  • Öffentlichkeitsarbeit betreiben

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