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Voraussichtliche Lesedauer:  6 Minuten

Jane Loudon: Sci-Fi- und Gartenpionierin

Luisa Roth
Online-Redakteurin

1827, nur neun Jahre nach Mary Shelleys »Frankenstein«-Roman, der heute weithin als die erste Sci-Fi-Erzählung überhaupt gilt, veröffentlichte die damals 20-jährige Jane Loudon ein Buch, das die Zukunft im Jahr 2126 imaginierte. Was sie danach tat, sollte nicht weniger wegweisend werden. Jane Loudon kam zum Gärtnern. Und sie schrieb darüber. Das Besondere daran: Ihre Bücher richteten sich, entgegen dem Geist der Zeit, explizit an Frauen.

Ihr Weg zum Schreiben

Jane Loudon wurde als Jane Webb am 19. August 1807 in Birmingham geboren. Ihr Vater war ein erfolgreicher Fabrikant, ihre Familie dementsprechend wohlhabend. Doch zwei nur kurz aufeinanderfolgende Verluste rissen Jane früh aus ihren finanziell privilegierten Verhältnissen. Als Janes Mutter starb, brach Jane gemeinsam mit ihrem Vater auf eine Reise durch Europa auf. Sie lernte neue Kulturen kennen und studierte mehrere Sprachen.

Kaum zurück in England verlief das Geschäft des Vaters allerdings zunehmend schlechter und nach einigen spekulativen Investitionen verlor er schließlich sein gesamtes Vermögen. Als auch er wenige Jahre später starb, verblieb die damals 17-jährige Jane verwaist und mittellos. Kurzerhand entschied sie, sich von nun an mit dem Schreiben selbst zu finanzieren. Auf einen 1824 erschienenen Gedichtband folgte ihr dreiteiliger visionärer Roman »The Mummy! A Tale of the Twenty-Second Century«, der 1827 von dem Verleger Henry Colburn anonymisiert veröffentlicht wurde.

Eine folgenreiche Begegnung

Titelbilder des Romans »The Mummy« und der Zeitschrift The Gardener’s Magazine.
[Bild: Gemeinfrei via Wikimedia Commons]

Tatsächlich brachte ihr dieser – um es mit den Worten der Autorin selbst zu sagen – ‚seltsame‘ und ‚wilde’ Roman einigen Erfolg ein und belohnte sie mit mehreren positiven Kritiken. Ein besonders begeisterter Rezensent war der schottische Botaniker, Landschaftsarchitekt und Autor John Claudius Loudon. Seiner Faszination für »The Mummy!« und die darin erdachten futuristischen Innovationen verlieh er in einem Artikel Ausdruck, den er 1829 in der von ihm publizierten Zeitschrift The Gardener’s Magazine abdrucken ließ.

Nicht nur begründete der Roman mit einer wiederbelebten Mumie als Protagonisten ein ganz eigenes Motiv, das seither noch unzählige Male reproduziert wurde, sondern entwarf auch eine Reihe beeindruckender Zukunftsszenarien, die rückblickend beinahe hellseherisch erscheinen. Die Erzählung zeichnete das optimistische Bild eines friedlichen, von einer Königin regierten Großbritanniens, in der Frauen Hosen tragen, mithilfe von Kanonenkugeln internetähnlich kommuniziert werden kann, es dampfbetriebene Roboteranwälte, Espressomaschinen und Klimaanlagen gibt.

John Loudons Bewunderung für eine solche Vorstellungskraft brachte ihn schließlich dazu, ein Treffen mit dem anonymen Verfasser arrangieren zu lassen. Jane Webb und John Loudon trafen sich im September 1830. Sieben Monate später heirateten sie – noch nicht ahnend, dass sich daraus nicht nur eine persönliche, sondern auch eine berufliche Partnerschaft ergeben sollte.

Plötzlich Gärtnerin

Nach ihrer Heirat wandte sich Jane mit wachsendem Interesse der Botanik und dem Gartenbau zu, obwohl sie bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Erfahrung in diesen Feldern besessen hatte. Sie begann, John bei der Arbeit an dessen Fachbüchern zu unterstützen und ihn auf Gartenreisen zu begleiten. Auch den gemeinsamen Garten in Bayswater, der dem Botaniker als Anschauungsmaterial für seine Pflanzenstudien diente, lernte sie zu pflegen. Außerdem besuchte sie die ein oder andere Botanik-Vorlesung.

»When I married Mr. Loudon, it is scarcely possible to imagine any person more completely ignorant than I was, of every thing relating to plants and gardening[.]«

[Jane Loudon: Instructions in Gardening for Ladies, London (1840)]

Doch bei all der Hingabe, mit der sie ihren Ehemann bei dessen Profession unterstützte, erkannte Jane darin doch bald ein grundlegendes Problem: Die Gartenliteratur richtete sich beinahe ausschließlich an ein fachkundiges (und männliches) Publikum. Sie war technisch voraussetzungsreich und mit vielen Fachausdrücken gespickt. Das wollte sie ändern. Nach einigen ersten eigenen Artikeln, die sie im Gardener’s Magazine veröffentlichen konnte, fasste sie den Entschluss, selbst Gartenbücher zu schreiben.

Titelblatt von Jane Loudons Instructions in Gardening for Ladies (1830): Eine Frau und ein Mädchen bei der Gartenarbeit mit Werkzeugen, umgeben von Pflanzen; darüber der Schriftzug des Buchtitels.
Das Titelbild von Jane Loudons »Instructions in Gardening for Ladies« (1840) zeigt eine Frau und ein junges Mädchen. [Bild: Gemeinfrei via archive.org]

Zwischen 1838 und 1855 veröffentlichte sie über ein Dutzend eigene Werke, wovon mehrere äußerst erfolgreich verkauft wurden. An wen sie ihre Bücher richtete, machte Jane bereits ab dem ersten Titel, »Young Lady’s Book of Botany« unmissverständlich klar. Es folgten weitere wie »Instructions in Gardening for Ladies« (1840), »The Ladies Companion to the Flower Garden« (1841), »The First Book of Botany … for Schools and Young Persons« (1841), oder auch »Botany for Ladies or, a Popular Introduction to the Natural System of Plants« (1842). Mit The Ladies Magazine of Gardening gründete sie sogar ein eigenes Gartenmagazin.

»Thus, though it may at first sight appear presumptuous in me to attempt to teach an art of which for three fourths of my life I was perfectly ignorant, it is in fact that very circumstance which is one of my chief qualifications for the task. Having been a full-grown pupil myself, I know the wants of others in a similar situation; and having never been satisfied without knowing the reason for every thing I was told to do, I am able to impart these reasons to others.«

[Jane Loudon: Instructions in Gardening for Ladies, London (1840)]

Die praktischen Ratgeber behandelten die volle Bandbreite des Gärtnerns: von der Bereitung des Bodens und der Düngung über Schnittmaßnahmen, Rasenpflege und Schädlingsbekämpfung bis hin zur Blumenzucht. Jane schrieb und lernte währenddessen selbst immer mehr dazu. Ihrer Freude am Innovativen blieb sie wie immer treu. Sie empfahl ihren Leser*innen etwa neue Saatgutsorten, besprach fortschrittliche Vermehrungsmethoden und alternative Klassifikationssysteme.

Illustration von Jane Loudon aus »The Ladies’ Flower-Garden of Ornamental Perennials« (1843).
[Bild: Gemeinfrei via Wikimedia Commons]

Historische Bedeutung

Jane Loudon schrieb ihr erstes Gartenbuch zu einem Zeitpunkt, an dem gärtnernde Frauen noch nicht gerne gesehen waren. Fast ein halbes Jahrhundert sollte es noch dauern, bis es in England gestattet war, sich offiziell zur Berufsgärtnerin ausbilden zu lassen. Umso verblüffender scheint in diesem Kontext Jane Loudons Vorreiterrolle. Insbesondere Frauen der Mittelschicht ließen sich von ihrer Begeisterung für Gärten und Botanik anstecken. Dabei brachen die Bestseller entschieden mit dem Geschlechterklischee, Gartenarbeit sei Männersache und für Frauen nicht angemessen. Es ging hier also um deutlich mehr, als dekorative Blumenbeete anzulegen.

Jane Loudon wagte sich nicht nur selbst als Autorin in ein bis dahin männlich dominiertes Fachgebiet vor; sie nahm auch tausende andere Frauen auf diesen Weg mit. Ihre Bücher leisteten einen wichtigen Beitrag zur Emanzipation. Der Garten wurde zu einem Ort der weiblichen Selbstermächtigung.

Botanische Illustrationen

Eine botanische Illustration von Jane Loudon, die verschiedene farbenfroh blühende Pflanzen zeigt.
Illustration von Jane Loudon aus »The Ladies’ Flower-Garden of Ornamental Perennials« (1843).
[Bild: Gemeinfrei via Wikimedia Commons]

Als sei all dies noch nicht genug gewesen, wurde Jane Loudon ganz nebenbei auch noch zur autodidaktischen Illustratorin. Um die Informationen über Pflanzen und gärtnerische Techniken in den Büchern verständlich zu halten, waren nachvollziehbare Abbildungen besonders wichtig. Jane erkannte das und begann, pragmatisch wie sie war, diese selbst zu anzufertigen.

Parallel zu ihren wachsenden Erfahrungen im Gartenbau wuchs auch ihr Können in der Botanischen Kunst. Angefangen mit einfachen Skizzen, entwickelte sie schließlich ihren ganz eigenen Stil. Viele ihrer Illustrationen zeigen Blumensträuße, in denen sie unterschiedliche Arten zu farbenfrohen Kompositionen arrangierte. Mit der Einführung der Chromolithografie, einem Verfahren für mehrfarbige Drucke, konnte sie ihre Werke bald auch noch schneller vervielfältigen.

Jane Loudons bewegtes Leben

Am Zenit ihres Erfolges genoss das Ehepaar Loudon ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Sie waren wohlhabend und verkehrten in ausgewählten intellektuellen Kreisen – mit etablierten Botanikern und berühmten Schriftstellern. Doch es sollte nicht so bleiben. Ein gescheitertes großangelegtes Buchprojekt von John Claudius führte die beiden in den finanziellen Ruin. Jane überlebte ihren Mann um 15 Jahre und starb 1858, im Alter von 51 Jahren.

Ihr Leben war geprägt von ihrem Ideenreichtum, ihrem Durchhaltevermögen und der Fähigkeit, sich ständig neu zu erfinden. Die Liste ihrer Errungenschaften ist derart vielschichtig, dass sie sich kaum in einem Satz zusammenfassen lässt. Klar ist nur: In allem, was Jane Loudon tat, war sie eine echte Pionierin.

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