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Voraussichtliche Lesedauer:  8 Minuten

Bäume veredeln: Neue Sorten auf alte Bäume

Von GartenFlora

Die Pflanzenveredelung ist eine ganz besonders faszinierende Methode der gärtnerischen Vermehrung. Genauigkeit und Geschick sind gefragt, außerdem natürlich die erforderlichen Kenntnisse. In Baumschulen sowie Obst-, Rosen- oder Gemüsebetrieben kommt die Veredelung im großen Stil zum Einsatz. Aber auch Hobbygärtner*innen können den Versuch wagen und zum Beispiel im eigenen Garten Bäume veredeln. Die beiden wichtigsten und an Gehölzen am häufigsten angewandten Veredelungstechniken nennen sich Okulation und Kopulation.

Bäume veredeln – voraussichtliche Lesedauer: 8 Minuten

Was ist eine Veredelung?

Beim Veredeln von Bäumen werden zwei verschiedene Gehölze auf eine bestimmte Weise verbunden, sodass sie miteinander verwachsen und am Ende eine einzige Pflanze bilden. Die beiden Ausgangspflanzen werden als Unterlage und Edelsorte bezeichnet. So wird zum Beispiel der Wurzelteil des einen Baumes mit dem Spross des anderen kombiniert. Im Fall von Bäumen wird hierfür meist am Stammansatz mit einer gewünschten Sorte veredelt, sodass schließlich sowohl Stamm als auch Krone das genetische Material der Edelsorte besitzen, die Wurzeln aber weiterhin die Eigenschaften der Unterlage haben.

Tatsächlich ist diese Art der vegetativen Vermehrung nicht ganz unkompliziert – besonders im Vergleich zur meist einfachen Stecklingsvermehrung. Mehrere Schritte zum richtigen Zeitpunkt sind für eine erfolgreiche Veredelung nötig. Trotzdem gibt es viele gute Gründe, warum Bäume und andere Pflanzen veredelt werden. 

Gründe zum Bäume veredeln

Es gibt sehr viele Varianten und Gründe für Veredelungen. Veredeln ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn sich bestimmte Pflanzen nicht auf andere Weise sortenecht vermehren lassen. Viele erlesene Sortenzüchtungen haben auch die Eigenschaft, Saatgut zu bilden, dessen Sämlinge im Aussehen stark variieren. Blutbuchen etwa sind eine glückliche Mutation der gewöhnlichen Buche, die mit purpurrotem Laub begeistern. Sämlinge dieser Blutbuche würden aber sehr wahrscheinlich nicht allesamt ebenso rote Blätter aufweisen. Um bei Weitervermehrung die Farbe des Laubs zu garantieren, ist die Veredelung die sicherere Variante. Manchmal soll eine Veredelung auch bewirken, dass eine bestimmte Sorte an einem Standort wachsen kann, der eigentlich ungeeignet ist, zum Beispiel auf sehr sandigen Böden. In anderen Fällen sollen die Eigenschaften der Unterlage die Edelsorte beeinflussen. Eine schwachwüchsige Unterlage kann es ermöglichen, auch starkwüchsige Sorten in kleinen Gärten zu pflanzen.

Bäume veredeln: Drei wichtige Veredelungsarten

Die Art der Veredelung ist abhängig von der jeweiligen Pflanze und außerdem an die Jahreszeit und Witterung gebunden. Drei der wichtigsten Methoden sind die Okulation, die Kopulation und die Geißfußveredelung. Erstere erfolgt im Sommer, die beiden letzteren finden im Winter statt.

Edelreiser

Als Edelreis wird ein Ast der Edelsorte bezeichnet. Bei der Entnahme dieses Reises muss darauf geachtet werden, dass die Triebe schädlings- und krankheitsfrei, außerdem kräftig gewachsen sind. Der Biegetest zeigt an, welche Stellen des Astes die richtige Reife besitzen. Junge Triebspitzen sind oft noch zu weich, während die untersten Augen meist zu schwach ausgebildet sind. Beide Enden werden darum abgeschnitten, übrig bleibt nur der Mittelteil mit drei bis fünf Augen. Feucht und kühl gehalten können die Triebe auch zeitweise gelagert werden.

Okulation

Bäume veredeln Illustration: © GartenFlora/Klaus-Dieter Röding
So wird das Auge in den T-Schnitt gesetzt. Illustration: © GartenFlora/Klaus-Dieter Röding
Bäume veredeln Illustration: © GartenFlora/Klaus-Dieter Röding
Und anschließend verbunden. Illustration: © GartenFlora/Klaus-Dieter Röding

Das Okulieren ist wahrscheinlich die am häufigsten verwendete Methode, um Bäume zu veredeln. Hierfür wird ein Auge (eine Knospe) der gewünschten Art, Sorte oder Hybride unter die Rinde der Unterlage geschoben, damit es dort anwachsen und austreiben kann. Das Auge wird mit einem speziellen Okuliermesser von einem zuvor geernteten Edelreis entnommen. An der Unterlage erfolgt ein T-förmiger Schnitt, die Rinde wird vorsichtig angehoben und das Auge dort eingeschoben. Anschließend wird verbunden, damit die Konstruktion hält und vor Ausrocknung geschützt ist, zum Beispiel mit speziellen Gummi- oder Folienbändern. Das Auge bleibt dabei frei, um ungehindert austreiben zu können. Das Kambium, also das zellteilungsfähige Gewebe der beiden Pflanzen, muss fest aufeinanderliegen, um sicher zu verwachsen.

Der richtige Zeitpunkt ist von großer Bedeutung, da der Erfolg der Prozedur davon abhängig ist, ob sich die Rinde der Unterlage gut lösen und anheben lässt. Die Chancen hierfür stehen am höchsten zu Beginn, beziehungsweise während der Vegetationsperiode, wenn die Stoffwechselvorgänge in vollem Gange sind. Ein zu frühes Okulieren kann zu Frostschäden am eingesetzten Auge führen, an einem zu späten Zeitpunkt wiederum kann es passieren, dass die Rinde der Unterlage sich nicht mehr unbeschadet lösen lässt.

Kopulation

Im Gegensatz zur Okulation wird bei der Kopulation nicht nur ein Auge, sondern ein ganzes Edelreis auf die Unterlage „transplantiert“. Auch mittels der Kopulation werden in den Wintermonaten zahlreiche Baumveredelungen vorgenommen.

Damit die Unterlage und das Edelreis aufeinanderpassen, müssen sie einen ähnlichen Durchmesser besitzen. Wenn die Unterlage leicht dicker ist, funktioniert es aber dennoch. An beiden Gehölzen setzt man relativ steile, lange Schnitte. Die Schnittflächen sollten glatt und eben sein. Für die Schnitte an Edelreis und Unterlage benötigen Sie ein sehr scharfes Messer mit gerader Schneide, ein so genanntes Kopulationsmesser. Veredelungsmesser sind einseitig angeschliffen, eine Seite flach, die andere gewölbt. Es gibt darum Linkshänder- und Rechtshändermodelle.

Bäume veredeln Illustration: © GartenFlora/Klaus-Dieter Röding
Optimale Kopulationsschnitte sähen so aus. Illustration: © GartenFlora/Klaus-Dieter Röding

Beim Veredeln von Bäumen sollten die Winkel der beiden Schnitte in etwa gleich sein, damit die beiden Teile möglichst geschlossen aufeinanderpassen – je mehr Kambium sich berührt, desto sicherer ist das Verwachsen. Wichtig ist, dass man das Edelreis an der korrekten Seite anschneidet und aufsetzt. Die Knospen zeigen dabei nach oben. Auch kopulierte Veredelungen werden mit Bast oder speziellen Gummibändern verbunden. Zusätzlich werden die Schnittstellen oft noch mit Baum- oder Rebwachs verstrichen. Das obere Ende des Edelreises schneidet man am Ende auch noch einmal an, nämlich schräg auf das oberste gesunde Auge.

Freiland- und Handveredelungen

Die Kopulationsmethode wird sowohl im Freiland, als auch bei sogenannten Handveredelungen angewandt. Im Freiland wird das Edelreis auf bereits gepflanzte Unterlagen gesetzt. Handveredelung bedeutet, dass sowohl Unterlage als auch Edelreis in den Händen gehalten werden. Die Unterlage besteht dann oft aus Wurzel und Stammansatz. 

Bäume veredeln Illustration: © GartenFlora/Klaus-Dieter Röding
So stecken Sie das Reis hinter die Rinde. Illustration: © GartenFlora/Klaus-Dieter Röding

Geißfußveredelung

Auch bei der Geißfußveredelung nutzt man mit ein ganzes Edelreis. Allerdings unterscheidet sie sich in der Schnittführung von der Kopulation. Der Vorteil: Die Edelreise dürfen auch um einiges dünner sein als die Unterlage. Denn in die Unterlage wird eine keilförmige Vertiefung geschnitten, in welche das Reis eingesetzt wird. Dieses wird zuvor ebenfalls keilförmig angespitzt. Dafür setzt man zuerst den typischen Kopulationsschnitt an, anschließend rechtwinklig dazu einen zweiten Schnitt. Das Reis sollte in der Länge und Breite etwa der Einkerbung im Holz der Unterlage entsprechen, damit sich die beiden ineinander einfügen. Eine noch einfachere Variante ist es, ein flach angeschnittenes Holz hinter die Rinde der Unterlage zu schieben, wie in der Abbildung zu sehen. In jedem Fall wird abschließend verbunden.

Bäume veredeln: Obstgehölze

Bei Obstbäumen kommt das Veredeln oft zum Einsatz. Die Wurzelunterlage kann neben der Standfestigkeit und Wuchsstärke auch die Fruchterträge beeinflussen. Früher als Wildling, heute als Unterlage bezeichnet – das ist der Wurzelstock, auf den eine edle Sorte veredelt werden kann. Eine Obstunterlage ist entweder ein Sämling oder selbst vegetativ vermehrt worden. Die Edelsorte bestimmt die Fruchteigenschaften, die Unterlage beeinflusst die Wuchsstärke und Merkmale wie die Fruchtgröße.

Beispiel: Die Apfelsorte ’Pinova’ bildet auf der Apfelunterlage M9 kleine Bäume mit großen Früchten. Auf einem Apfelsämling hingegen entwickeln sich starkwachsende, große Bäume mit zahlreichen, eher kleinen Äpfeln.

Das Veredeln von Obstbäumen kann auch im Privatgarten vorteilhaft sein. Durch Veredelung lassen sich beispielsweise alte Sorten retten, die es so nicht mehr zu kaufen gibt. Dabei darf ein Edelreis des alten Baumes auf einer anderen Wurzelunterlage weiterwachsen. Wer es sich selbst nicht zutraut, kann sich auch an Baumschulen oder Obstbetriebe wenden. Viele von ihnen bieten es an, die Veredelungen für Sie zu übernehmen und können auch die geeignete Unterlage heraussuchen.

Sauberkeit und Genauigkeit

Beim Veredeln muss stets sorgfältig, genau und sauber gearbeitet werden. Neben passender Jahreszeit und Witterung und dem korrekten Entnehmen der Edelreiser ist auch sauberes, am besten desinfiziertes, Werkzeug von großer Wichtigkeit. Die Schnittstellen sollten nicht berührt werden, andernfalls können Bakterien in das Kambium gelangen. Beim Okulieren wird zusätzlich die Veredelungsstelle vorher gesäubert.

Bestehende Obstbäume können Sie etwas aufpeppen, indem Sie an verschiedenen Stellen der Krone neue Sorten veredeln. So können zum Beispiel an ein und demselben Apfelbaum verschiedene Fruchtsorten mit unterschiedlichen Eigenschaften wachsen – das ist dann ein sogenannter Familienbaum. Für die Kopulation suchen Sie sich in der Obstbaumkrone einen Trieb, der so dick ist wie Ihr Edelreis. Ist die Unterlage doppelt bis etwa viermal so dick wie das Edelreis, können Sie sich an der Geißfußveredelung versuchen. Am besten, Sie üben die anspruchsvolle Technik zunächst mit den weichen Trieben von Weide oder Linde, bis Sie die Schnittführung beherrschen.

Wer passt zu wem?

Nicht alle Pflanzen lassen sich auf diese Weisen miteinander verbinden. Ausschließlich nahe verwandte Gattungen oder Arten haben die Möglichkeit, stabil miteinander zu verwachsen. Je näher der Grad der Verwandschaft, desto größer sind meist die Erfolgsaussichten. Die Mindestvoraussetzung ist es, dass beide derselben Pflanzenfamilie angehörig sind. Birnen werden beispielsweise häufig auf Quitten veredelt, beide gehören zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Birne verträgt sich auch mit anderen Birnen, außerdem mit Weißdorn. Apfel verwächst unter anderem mit Apfel, Kirsche mit Kirsche und Pflaume neben anderen Pflaumen auch mit Pfirsichen, Aprikosen sowie Nektarinen. Doch es gibt auch bestimmte Unverträglichkeiten, wenn zwei einfach nicht miteinander können zum Beispiel Pflaumen und Aprikosen.

LUISA ROTH

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