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Voraussichtliche Lesedauer:  6 Minuten

Mistel: Zwischen Himmel und Erde

Von Dr. Natalie Faßmann

Die Mistel ist eine sagenumwobene Pflanze, die früher als heilig galt. Die immergrünen Gewächse gedeihen parasitär auf Bäumen. Im Winter kann man die kugeligen Sträucher schon von Weitem in den blattlosen Baumkronen erkennen. Hier erfahren Sie mehr über die ungewöhnliche Lebensweise der Mistel.

Die Mistel und ihre besondere Lebensweise

Sehr, sehr langsam wächst die Mistel zu einem fast perfekt kugelrunden Strauch heran. Nein, nicht auf dem Boden, sondern oben auf einem Ast. Sie braucht mehr als 20 Jahre, bis sie einen Durchmesser von einem Meter erreicht hat!

Mistel in einer kahlen Baumkrone im Winter. Foto: AdobeStock_Jürgen Fälchle
Die Mistel bildet fast kugelrunde Sträucher im Geäst der Bäume. [Foto: AdobeStock_Jürgen Fälchle]

Für ihr Wachstum zapft sie mit ihren Saugwurzeln die Lebensadern des Baumes an, auf dem sie sitzt. Dabei stiehlt sie ihm Wasser und Nährsalze. Photosynthese betreibt sie über ihre immergrünen Blätter selbst. Das ist frech. Fachleute bezeichnen die Mistel deshalb als Halbschmarotzer. Häufig sieht man Laubholz-Misteln (Viscum album var. album) auf Apfel, Pappel, Linde, Weide, Birke und Eberesche.

Blätter, Blüten und Früchte der Mistel

Die Blätter der Mistel sind eiförmig, ledrig und gegenständig angeordnet. Ihren Jahreszyklus haben die Gewächse perfekt an den Rhythmus ihrer Wirtspflanzen angepasst: Noch bevor die Laubbäume austreiben, bilden die Misteln ihre unauffälligen, gelben Blüten. Doch erst im Winter, wenn die Baumkronen bereits wieder laublos sind, reifen auch die kleinen Beeren der Mistel aus.

Nahaufnahme einer Mistel mit weißen Beeren. Foto: AdobeStock_Murphy44
Die immergrünen, ledrig wirkenden Blätter der Mistel befinden sich jeweils paarweise an den Trieben. [Foto: AdobeStock_Murphy44]

Sind Misteln giftig?

Entgegen der weitläufigen Meinung sind nicht die Beeren der Mistel der giftigste Part, sondern die anderen Teile der Pflanze. Der Grad der Giftigkeit kann je nach Pflanze, Wirtsbaum und Jahreszeit variieren. Pflanzenteile der Mistel sollten nicht verzehrt werden – auch nicht die Beeren, da diese aufgrund ihrer Klebrigkeit leicht im Rachen hängenbleiben können. Vergiftungssymptome äußern sich in der Regel in Verdauungsbeschwerden, Übelkeit bis hin zu Erbrechen, selten auch Atemnot.

Heilwirkung der Mistel

Bereits im antiken Griechenland wurde der Mistel eine heilende Wirkung nachgesagt. Misteln enthalten sogenannte Lektine – das sind Pflanzenstoffe, die dem Gewächs unter anderem als Abwehrstoffe gegen Fressfeinde dienen. Die Lektine der Mistel kommen beispielsweise als Reiztherapie bei Arthrose zum Einsatz. Sogar als Mittel gegen Krebs wird die Mistel diskutiert – derartige Forschungsansätze sind aber äußerst umstritten und bisher existieren keine ausreichenden Belege. Präparate sollten nicht ohne ärztliche Beratung eingenommen werden, denn auch unerwünschte Nebenwirkungen sind nicht ausgeschlossen.

Woher kommen die Misteln auf den Bäumen?

Und wie kommt diese außergewöhnliche Pflanze nun auf den Ast? Kelten und Germanen hatten die Götter in Verdacht, die Misteln dort gestreut zu haben. Doch in Wirklichkeit sind es Seidenschwanz, Misteldrossel und andere Vögel, die den Samen dort oben ablegen.

Die Vermehrung der Mistel

Die weißlichen Mistelbeeren sind beliebtes Winterfutter. Und letztlich bleibt der Samen intakt und wird ausgeschieden. Oder die klebrige Frucht wird samt Samen von den Vögeln mit dem Schnabel auf dem nächstbesten Ast abgestreift.

Mistel: Amsel (links) sitzt vor einem Mistelzweig (rechts) im Baum. Foto: AdobeStock_ motivjaegerin1
Wenn die Laubbäume kahl sind, können Vögel die Mistelbeeren gut erkennen. [Foto: AdobeStock_ motivjaegerin1]

Sobald die Temperaturen im März Frühlings-Niveau erreichen, schiebt sich eine grüne Keimwurzel aus dem Samenkorn in Richtung Rinde. Mit einer Haftscheibe hält sich der kleine Keimling auf seiner hölzernen Unterlage fest. Allein dafür braucht er schon etwa 60 Tage und hat seine Kräfte für dieses Jahr erst einmal erschöpft.

Parasitäre Wuchsform: Die Mistel im Baum

Im kommenden Jahr drückt der Keimling die Rinde auseinander und dringt in den Holzkörper ein, bis er mit dem Kambium des Baums verbunden ist. Aus dieser ersten Wurzel wachsen Senker, die sich mit den Leitungsbahnen des Astes verbinden. Nun kann die Mistel aktiv Wasser und Nährsalze aufnehmen, die der Baum hinauf in den Ast pumpt. Jetzt wird endlich gewachsen!

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Aber bis sich die Mistel auf dem Ast etabliert hat, vergehen etwa zwei weitere Jahre. Doch der Baum bemerkt sie und versucht, sich zu wehren. Er beginnt, die Mistelsenker zu umwachsen. Eine Wulst entsteht als äußeres Zeichen des Zweikampfes, und der Ast wird an der Stelle, wo die Mistel sitzt, dicker.

Einige Baumarten wehren sich erfolgreicher als andere. Woran das liegt, ist noch unklar. Vermutlich tragen die gegen Misteln resistenten Laubbäume wie Walnuss, Buche, Holunder und die seltener befallenen Eichen, Eschen, Birnen und Kirschen Stoffe in sich, die den Mistelsamen einfach nicht keimen lassen.

Sind Misteln schädlich für Bäume?

Hier lässt sich klar mit Ja antworten, denn sie entziehen dem Baum Wasser und Mineralstoffe. Einem gesunden Baum macht das nicht viel aus, selbst wenn fünf Misteln auf – oder besser von – ihm leben. Doch leidet der Baum zusätzlich unter Trockenheit und Nährstoffmangel, schwächen ihn die Misteln. Das lässt den Baum auf lange Sicht kümmern, bis schließlich einzelne Äste oder Kronenteile absterben.

Misteln im Obstgarten

Misteln besiedeln auch Apfel-, seltener Birnenbäume. Sie verringern deutlich den Fruchtbesatz, da der besiedelte Ast seine Früchte nicht mehr ausreichend ernähren kann. Darum sollten Misteln rechtzeitig aus Obstgehölzen entfernt werden.

Dabei reicht es nicht, nur die grünen Sprosse zurückzuschneiden. Nehmen Sie den Ast, auf dem sich die Mistel eingenistet hat, mindestens 10 Zentimeter unterhalb der Ansatzstelle heraus. So weit reichen die Senker der Mistel, mit denen sie sich im Holz ausbreitet und aus denen sie erneut austreibt.

Weißbeerige Mistel: Mistelzweig zu Weihnachten

Schon für die Germanen galt die Mistel als heilig: Aus dem heidnischen Brauch, einen Mistelzweig zur Wintersonnenwende als Glücksbringer zu ernten, hat sich schließlich die bis heute bekannte christliche Weihnachtstradition entwickelt, Mistelzweige als symbolischen Weihnachtsschmuck aufzuhängen. Wer unter einem Mistelzweig steht, darf sich küssen!

Auch in Kränzen eingebunden kommen die edlen Mistelzweige mit ihren weißen Beeren gut zur Geltung. Hier gibt es noch mehr Deko-Inspiration zur besinnlichen Zeit: Einen Weihnachtskranz für die Tür gestalten.

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