Winterling, Schneeglöckchen, Crocus sieberi und die Zwerg-Iris, Iris histroides ‘George’, teilen sich im Frühjahr den Platz unter einem noch unbelaubten Strauch. Bild: fotolia

Voraussichtliche Lesedauer:  4 Minuten

Frühblüher: Die Kleinkunst im Garten bleibt!

Von GartenFlora

Eine Gartenschriftstellerin schrieb einmal: „Die Kleinkunst kommt weg!“ Es ging um Tausende und Abertausende Frühblüher, die als Zwiebeln beim Graben im Staudenbeet ans Tageslicht befördert werden und dann für Verdruss sorgen.

Das pralle Leben – verborgene Frühblüher

Stellen Sie sich einen Blick in den Keller unseres Gartens vor. Wie ich das meine? Die Erdschicht unter der Bodenoberfläche ist gemeint. Ahnen Sie, was wir in diesem Keller haben? Nichts Unrechtes, ganz im Gegenteil: Da herrscht das pralle Leben! Tausende kleiner Blumenzwiebeln von Frühblühern wie Krokussen, Blausternchen, Schneeglöckchen, Märzenbechern, Lerchensporne und Winterlingen. 

Die Winterlinge gehören botanisch allerdings nicht zu den Zwiebelgewächsen, sie haben Knollen statt Zwiebeln, wie die Lerchensporne. All das sind unsere Kellerkinder, wie wir sie liebevoll nennen. Fast das ganze Jahr über sieht man nichts von ihnen. Im zeitigen Frühjahr aber werden sie mobil: Aufstand der Kellerkinder. Die Frühblüher sprießen in allen Ecken und Enden des Gartens. 

Schon nach wenigen Wochen ist der schöne Spuk vorbei

Die Frühblüher ziehen sich dann wieder in die Erde zurück und leben ein Dreivierteljahr unterirdisch weiter. Wenn ich im Herbst meine Stauden umpflanze, dann kommen die Zwiebeln oft ungewollt mit ans Tageslicht. Und ich stelle betrübt fest: Jetzt habe ich versehentlich in eine Gruppe Schneeglöckchen gestochen.

Im nächsten Februar ist der kleine Verlust vergessen. Mein morgendlicher Gartenrundgang wird von Tag zu Tag interessanter. Hab’ ich denn hier jemals Scilla gepflanzt? Und dort die Lerchensporne unter dem Flieder, wo kommen die denn her?

Blumenzwiebeln – am besten nicht stören

Das Blühen hat sich im Laufe der Jahre ausgebreitet – über den Garten und die Nachbargärten. Fast von allein, nachdem der Anfang mit ein paar Zwiebeln gemacht war. Wie das kommt? Das Geheimnis liegt in der Ruhe. Ruhe für die obere Bodenschicht. 

In unserem Garten graben wir in den Rabatten und Blumenbeeten schon seit Jahren nicht mehr. Die natürliche Schichtung des Bodens bleibt erhalten und damit die Kita für die Kellerkinder, also für keimende Samen oder winzige Tochterzwiebeln. 

Heimliche Wanderungsbewegungen

Seit ich in den Rabatten nicht mehr hacke oder umgrabe, kommen die Frühblüher plötzlich in die Gänge. Sie suchen sich die passenden Plätze selbst. Die Krokusse und Schneeglöckchen wandern in den Rasen, die Winterlinge unter die Büsche, die Lerchensporne und Blausternchen überall hin. Sie finden sogar die Fugen meiner Plattenwege. 

Von wegen nur feuchte und schattige Plätze! Die Märzenbecher – einst Sorgenkinder bei mir – mit dem vermuteten Anspruch, in einer feuchten Wiese wachsen zu wollen, haben sich besonnen. Sie senden ihre Sämlinge jetzt ebenfalls nach allen Seiten, in die Großstauden, zwischen die Farne und an den unteren Rand des Steingartens. Sollen sie ruhig, und schon schlägt mein Züchterherz schneller: Haben sie alle grüne Punkte auf ihren Glockenblüten? Oder sind ein paar mit gelben Punkten dabei oder sogar der seltene Typ mit zwei Blüten an einem Stiel?

Im Frühling tobt das Leben ganz bodennah

Gartenbesucher, die bisher nur im Sommer da waren, staunen über meine Erklärung, dass wir Pflanzen in drei Etagen pflegen. Im Sommer dominieren die Großstauden, und auch die Fuchsien in Kübeln. Sie gliedern mit ihrer Höhe den Gartenraum. 

Die Mittelschicht, gebildet von Haselwurz, Elfenblume, Taubnessel und anderen, wird in dieser Zeit kaum wahrgenommen. Noch tiefer unten beginnt das geheime Reich der Kellerkinder, unserer Frühblüher. 

Frühe Blütenvielfalt statt spätwinterlicher Tristesse

Im März zeigt der Garten eine ganz andere räumliche Aufteilung. Das Oben fehlt. Alles Wachsen und Blühen findet in Bodennähe statt – und das zu einer Zeit, wo in anderen Gärten noch Winterruhe herrscht! 

Im Frühjahr reiben sich Besucher erstaunt die Augen: „So kennen wir Ihren Garten ja gar nicht!“ Und umgekehrt kommt, angesichts des Gedränges, manchmal die Frage: „Was blüht denn dann im Sommer bei Ihnen?“ 

Nun, die Kleinblumenzwiebeln geben im April den Staffelstab an Tulpen, Narzissen und Hyazinthen weiter, bis die eigentlichen Frühjahrsstauden den Garten beleben und die jahreszeitliche Blumenuhr nicht mehr aufzuhalten ist. 

Bei so viel Gedränge gibt es auch Nachteile. Denn empfindliche Austriebe von Großstauden drohen im dichten Gewirr der Frühblüher zu ersticken. Auf die Rittersporne, Rudbeckien, Stauden-Clematis und Lilien muss ich dann ein Auge haben. Nicht nur die Luft wird ihnen knapp. Die Schnecken finden im Gedränge gute Verstecke und tun sich an den jungen Austrieben gütlich. 

Sind die Großen da, ziehen sich die Kleinen zurück

Haben die großen Frühblüher den Durchbruch erst geschafft, dann drehen sich die Lichtverhältnisse bald um und Anfang Mai wird es Zeit für den Rückzug der Kellerkinder. Sie haben ihre Samenkörner zügig verstreut, die Nährstoffe fürs nächste Frühjahr in Zwiebeln und Knollen gespeichert. 

Nun beginnt die Ruhezeit. Und wenn ich Ende Mai ein Loch für die Dahlienknolle ‘Olympic Fire’ zwischen die Stauden grabe, erwische ich bestimmt wieder einen Tuff Schneeglöckchen, den ich dort gar nicht vermutet hatte. 

DR. KONRAD NÄSER

Dr. Konrad Näsers liebste Frühblüher-Kleinkunst-Darsteller

Gar nicht schüchtern: Die Anwärter für Massenszenen

  • Chionodoxa luciliae, Schneestolz
  • Corydalis solida, Finger-Lerchensporn
  • Crocus tommasinianus, Elfen-Krokus
  • Eranthis hyemalis, Winterling
  • Leucojum vernum, Märzenbecher
  • Scilla bifolia, Kleiner Blaustern
  • Scilla siberica, Sibirischer Blaustern

Etwas zaghafter: Machen sich nicht so breit

  • Crocus flavus, Gold-Krokus
  • Crocus vernus, Garten-Krokus
  • Cyclamen coum, Wild-Alpenveilchen
  • Iris histrioides, Zwerg-Iris
  • Scilla mischtschenkoana, Kaukasus-Blaustern

Extra-Wissen: Frühblüher Märzenbecherzwiebeln

Manche der Märzenbecherzwiebeln im Handel sind keine echten Märzenbecher, Leucojum vernum. Es sind die Zwiebeln der Sommer-Knotenblume, Leucojum aestivum, auch Sommertürchen genannt. 

Diese hat nicht nur eine, sondern mehrere kleine Blüten an 40 cm hohen Stielen, und sie blüht erst im Mai. Die Zwiebeln verlieren trocken an der Luft schnell ihre Vitalität, besser ist es, getopfte blühende Ware zu kaufen, dann erkennt man auch die Echtheit.

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