Teile von zwei zu kombinierenden Pflanzen – Pflanzunterlage und Edelreis - werden so miteinander verbunden, dass sie als eigenständige Pflanze mit den gewünschten Eigenschaften weiterwachsen. Bild: GartenFlora

Voraussichtliche Lesedauer:  3 Minuten

Patchwork in Perfektion: Blick hinter die Kulissen der Veredelung

Von GartenFlora

Lange bevor Gregor Mendel im Jahr 1866 seine Vererbungslehre veröffentlichte, wussten die Gärtner bereits, dass man viele schmackhafte Obstsorten nicht einfach durch Aussaat vermehren kann.

Sie hatten immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die durch Aussaat entstandenen Nachkommen nicht zwangsläufig die gleichen Eigenschaften hatten wie die Pflanze, von der sie abstammten.

Das galt nicht nur für Obst, sondern auch für Rosen und viele andere Zierpflanzen. Die durch Samen vermehrten Nachkommen zeigten mal eine neue Blütenfarbe, mal ein anderes Wuchsverhalten.

Die Geschichte der Veredelung

Aus diesem Grund haben Baumschulgärtner schon früh nach einer Methode gesucht, um Pflanzen mit identischen Eigenschaften kultivieren zu können.

Eine der bereits in der Antike entwickelten Kulturtechniken ist die Veredelung. Wann und wo die ersten Veredelungen durchgeführt wurden ist unklar, aber vermutlich stammt das Verfahren aus dem Mittelmeerraum.

Spätestens im Mittelalter war die Veredelung bereits in ganz Mitteleuropa die gebräuchliche Vermehrungsmethode von Obstgehölzen. Die Techniken wurden seitdem stetig verfeinert und verbessert.

Das Grundprinzip allerdings ist bis heute erhalten und Bestandteil jeder Ausbildung zum Baumschulgärtner: Teile von zwei zu kombinierenden Pflanzen – Pflanzunterlage und Edelreis – werden so miteinander verbunden, dass sie als eigenständige Pflanze mit den gewünschten Eigenschaften weiterwachsen.

Veredelung: Vegetativ und ganz ohne Gentechnik

Der Gärtner, der eine Pflanze mit positiven Eigenschaften vermehren will, muss sicher sein, dass die Jungpflanzen genau die gleichen Eigenschaften aufweisen wie die Eltern.

Dazu braucht er keine Gentechnik, sondern bedient sich der vegetativen Vermehrung. Hierbei werden ausgewählte Pflanzenteile wie z.B. Wurzeln und/oder Triebe, die von der Mutterpflanze stammen, vermehrt. Bei vielen Gehölzen entstehen Jungpflanzen aus Stecklingen oder Steckhölzern.

Diese abgeschnittenen Triebstücke der Mutterpflanze werden zum Bewurzeln und später zum Austrieb gebracht. Dadurch entstehen viele Original-Nachkommen mit identischen Eigenschaften.

Spezialisierte Baumschulunternehmen, so genannte Jungpflanzenbetriebe, haben für diese Vermehrungsphase und Weiterkultur sehr ausgefeilte Verfahren entwickelt.

Schwierig und auch langwieriger sind die Veredelungsmethoden. Nach dem Zeitpunkt der Veredelung unterscheidet man zwei Gruppen: Solche, die im Winter – in der Vegetationsruhe – durchgeführt werden wie die Kopulation und solche, die nur im Sommer möglich sind, wie die Okulation.

Bei der Kopulation wird ein Zweigstück mit mindestens vier Knospen der Edelsorte mit einer anderen Pflanze, der sogenannten Unterlage, verbunden. Dazu sollten Zweigstück der Edelsorte und Unterlage möglichst den gleichen Durchmesser haben.

Beide werden im gleichen Winkel schräg angeschnitten und mit den Wachstumsschichten der Rinde exakt aufeinander gelegt und fest miteinander verbunden, so dass sie zusammen wachsen können. Ob die Veredelung geglückt ist, zeigt sich erst Monate später, wenn das Edelreis austreibt. Mit diesem Verfahren werden insbesondere Ziergehölze und Koniferen veredelt.

Die Okulation hingegen wird zum Beispiel bei Rosen und Obstbäumen durchgeführt. Hierbei schneidet der Baumschuler vom Edelreis nur eine Knospe, auch „Auge“ (lat.: oculus) genannt, aus und setzt es unter die Rinde der Unterlage, die eingeschnitten wird, ein.

Aus diesem Auge wachsen später die neuen Triebe, die weiter kultiviert werden. Damit ist garantiert, dass die besten Eigenschaften zweier Pflanzen miteinander in der neuen Pflanze zusammen kommen.

Patchwork in Perfektion: Veredelung von Pflanzen

Der Apfelbaum, wie man ihn im Gartencenter oder in der Baumschule kauft, besteht also eigentlich aus zwei Individuen: Die Wurzel nennt der Profi „Unterlage“ und die Apfelsorte, z.B. „Goldparmäne“ ist die Edelsorte.

Die Verbindung von Unterlage und Edelsorte, die Veredelungsstelle, ist meist als verdickter Teil des Wurzelhalses zu erkennen. Während also die Unterlage Standfestigkeit, Höhe und Wüchsigkeit der späteren Pflanze vorgibt, definiert das Edelauge bzw. Edelreis die Blatt-, Blüten- und Fruchteigenschaften.

So kann der Profi mit der Kombination von Unterlage und Edelsorte beispielsweise einen Baum mit besonders starker Wurzel erzeugen oder Einfluss auf den Wuchs der Krone nehmen. Hier gilt es, optimal zu kombinieren, so dass z.B. Obstsorten auch in Gegenden gepflanzt werden können, in denen sie ohne den Einsatz unterschiedlicher Veredelungskombinationen keine Chance hätten.

Was im richtigen Leben meist nicht gelingt, bekommt der Baumschuler dank Veredelung hin: Patchwork in Perfektion im Dienste der Qualitätsoptimierung.

BdB

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